Kulturvielfalt im Ruhestand: Wie findet man seine Leidenschaft (neu)?

Haben Sie sich schon mal gefragt, wann Sie zuletzt ein Instrument in der Hand gehalten haben, obwohl Sie früher so viel Freude daran hatten? Haben Sie sich überlegt, wann Sie das letzte Mal ausführlich einen Klassiker der Literatur (sei es nun Harry Potter oder Faust) gelesen und darüber nachgedacht haben, was es mit Ihnen macht? Wann waren Sie zuletzt Tanzen oder haben versucht eine neue Sprache zu lernen?
In unserer Kindheit und Jugend begegnet uns kulturelle Bildung regelmäßig. Sie ist ein wichtiger Teil einer umfassenden Allgemeinbildung und wird in der Schule in Form von Kunst- oder Musikunterricht, Literaturstunden, Schülerzeitungen oder auch außerhalb der Schule durch Tanzunterricht, Musikschulen, Ferienfahrten oder Museumsbesuche gefördert. So wird bei uns häufig ein Interesse an bestimmten kulturellen Tätigkeiten und Fähigkeiten geweckt und eine Basis an grundlegenden Kompetenzen geschaffen.

Doch irgendwann im Leben passiert es vielen, dass zeitlichen Ressourcen immer weniger und die Verpflichtungen mehr werden. Dabei bleibt häufig auch die kulturelle Bildung auf der Strecke. Mit Hobbys, die man früher mit viel Freude betrieben hat, hat man sich plötzlich schon eine ganze Weile nicht mehr beschäftigt.

Dabei ist die Auseinandersetzung mit kulturellen Themen auch eine Auseinandersetzung mit uns selbst und mit unserer Umwelt. Sie animiert uns, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen, neue Blickwinkel einzunehmen oder uns selbst zu erkennen und über unsere Situation zu reflektieren. Besonders in Phasen des Umbruchs, wie sie viele Menschen mit Austritt aus dem Erwerbsleben erleben, kann die Beschäftigung mit Kunst, Musik, Literatur oder anderen kulturellen Einflüssen uns dabei helfen, uns selbst neu zu definieren und uns weiterzuentwickeln.

Vielleicht haben Sie es auch geschafft, Ihrer Leidenschaft treu zu bleiben, haben aber schon lange nichts völlig Neues mehr ausprobiert. So oder so nutzen Sie doch diesen Impuls, um Ihre Leidenschaft für kulturelle Bildungsangebote (neu) zu entfachen! Da wir wissen, dass die Umsetzung von langen gehegten Vorhaben häufig nicht nur an fehlender Motivation, sondern auch an vorhandenen Barrieren und Hürden scheitert, möchten wir Ihnen direkt ein paar Lösungsideen vorstellen.

Die Motivation (wieder-)finden

Sie kennen es vielleicht. Vor Ihrem Eintritt in das Rentenalter hatten Sie einige Erwartungen an ihren neuen Lebensabschnitt: vielleicht haben Sie sich auf die viele freie Zeit und die Möglichkeiten gefreut, sich endlich nur mit dem zu beschäftigen, was Ihnen Freude bereitet. Oder Sie waren sehr nervös und aufgeregt vor dem Ende Ihrer bisherigen beruflichen Karriere und haben sich gefragt, wie Sie sich nun weiterhin engagieren und nützlich machen könnten, damit keine Langeweile aufkommt. So oder so haben Sie sicher Pläne gemacht, To-Do-Listen geschrieben oder den Menschen um Sie herum erzählt, was Ihre Pläne für den Ruhestand sind. Viele Senioren und Seniorinnen machen aber die Erfahrung, dass selbst die besten Pläne nicht immer in die Tat umgesetzt werden und selbst die längsten To-Do-Listen sind einmal abgearbeitet ist. Irgendwann schleicht sich der Alltagstrott wieder ein und die vielen Ideen rücken weiter und weiter nach hinten. In Statistiken zum Freizeitverhalten von Menschen 60+ gehören neben der Zeit mit der Familie, dem Partner oder der Partnerin vor allem wenig interaktive Freizeitbeschäftigungen wie Fernsehen, Musik hören, Emails schreiben, Radio hören, oder Kaffeetrinken (vgl. Freizeitmonitor 2022). Das erscheint logisch, möchten viele doch den eigenen Ruhestand möglichst stressfrei und erholsam verbringen. Allerdings kann eine zu eintönige Gestaltung der eigenen Freizeit langfristig auch negative Konsequenzen nach sich ziehen. Beispielsweise:

  1. Wird das Gehirn weniger stimuliert und trainiert, Neues zu lernen. Dies kann sich in allen Bereichen des Lebens bemerkbar machen und die Lebensqualität Stück für Stück einschränken.
  2. Die Auseinandersetzung mit der Umwelt, den aktuell wichtigen Themen und den persönlichen Einstellungen nimmt ab. Wir hören auf, uns weiterzuentwickeln.
  3. Die Themenvielfalt der Gespräche mit Freunden, Bekannten oder der Familie schrumpft. Es gibt wenig Neues zu berichten. Auch die gemeinsame Freizeitgestaltung sieht immer wieder gleich aus, wodurch es schwieriger wird, sich untereinander von einer anderen Seite kennenzulernen.

Das sind nur einige, ausgewählte Folgen, die eine eintönige Freizeitgestaltung nach sich ziehen kann. Wir möchten Sie also dazu ermuntern, kulturelle Bildung als eine Möglichkeit zu sehen, Ihre Freizeit diverser, abwechslungsreicher und mehr als Spielfläche für den Austausch mit anderen zu nutzen!

  1. Nutzen Sie die Chance eine neue Fähigkeit zu lernen, sich über die Erfolge zu freuen und dem Gehirn eine Auszeit vom Alltagstrott zu gönnen.
  2. Beschäftigen Sie sich mit neuen Gebräuchen, Themen oder Beschäftigungen und lassen Sie sich inspirieren. Oder nutzen Sie Altbekanntes um Erinnerungen wieder aufleben zu lassen und über Ihr Leben zu reflektieren. So oder so, Sie werden merken, wie Sie daran wachsen.
  3. Tauschen Sie sich mit anderen Menschen aus. Ob sie nun Ihrem Umfeld davon berichten oder sogar über das Hobby neue Menschen kennenlernen. Nichts macht einen Menschen interessanter, als begeistert über Dinge zu sprechen, die man gerne macht.

 

Unsicher, was Sie überhaupt suchen oder was das richtige Angebot für Sie ist?

Wenn Sie sich unsicher sind, was Sie (erneut) begeistern könnte, haben wir ein paar Fragen für Sie gesammelt, die Ihnen dabei helfen, sich über Ihre Interessen und Möglichkeiten bewusst zu werden. Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit und ziehen Sie sich am besten an einen ruhigen Ort zurück, um die Fragen zu beantworten:

  1. Was hat mir in meiner Jugend oder als erwachsene Person Freude bereitet? (Tipp: Schreiben Sie spontan 10 Ideen auf. Sie finden nicht die richtigen Ideen? Stöbern Sie vielleicht in alten Kinderfotos oder lassen Sie sich von Ihren Enkelkindern oder Menschen aus Ihrem Umfeld inspirieren.)
  2. Was ist mein Ziel? Wieso möchte ich mir diese neue Aufgabe stellen? Welche Erfahrungen möchte ich machen und inwiefern könnte es mein Leben etwas reicher machen?
  3. Möchte ich mich lieber proaktiv beteiligen (z.B. als Lernbegleiter oder Lernbegleiterin für andere) oder lieber selber etwas Neues lernen?
  4. Wie viel Zeit (pro Woche) habe ich zur Verfügung?
  5. Wie viel Geld kann ich ca. investieren?
  6. Was für Möglichkeiten gibt es überhaupt bei mir in der Nähe? Wie weit bin ich bereit zu fahren/laufen?
  7. Möchte ich eher etwas mit anderen Menschen machen, um neue Kontakte zu finden, oder alleine, um mich mit mir selbst zu beschäftigen?
  8. Wo habe ich bereits Vorerfahrungen oder die entsprechende Ausstattung, um schnell loszulegen?
  9. Was muss ich ggf. noch besorgen/kaufen? Wo kann ich es günstig und nachhaltig beschaffen?
  10. Was hat mich bisher daran gehindert, mich an dieses Hobby/diese Aktivität heranzuwagen? Wie kann ich evtl. weiterhin bestehende Hindernisse beseitigen?

 

Zu weit entfernt? Oder unsicher, welche Angebote es überhaupt gibt?

Manchmal ist es nicht so einfach in Erfahrung zu bringen, welche kulturellen Bildungsangebote es in Ihrer Umgebung überhaupt gibt. Wenn Sie auf der Suche nach passenden Angeboten sind, holen Sie sich an den besten aktiven Informationen darüber ein. Empfehlenswerte Informationskanäle können z.B. die lokale Zeitung, Lokalnachrichten, lokale Gemeindezentren, Musikschulen, Vereine, Kirchenzeitungen, Seniorenbüros, Broschüren oder Newsletter der Stadt/Gemeinde, Auslagen in Bibliotheken oder kulturellen Einrichtungen oder Plakate an öffentlichen Orten in der Stadt sein. Nutzen Sie (wenn möglich) auch das Internet, um weitere lokale oder digitale Angebote zu entdecken. Viele Angebote werden z. B. über die Websites der Städte und Kommunen ausgeschrieben.

Viele Soziale Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die Caritas, etc. oder auch kommunal betriebene Einrichtungen bieten in ihren Orten und Gemeinden in „Seniorentreffs“, „Seniorenbüros“, „Begegnungsstätten“, „Alten-Service-Zentren“ etc. diverse Freizeitangebote an. Dort gibt es häufig auch Angebote kultureller Bildung (wie Tanz, Singen im Chor, Malkurse, etc.). Viele dieser Angebote sind kostenlos oder kostengünstig besuchbar. Fragen Sie hier am besten immer telefonisch nach und erkundigen Sie sich nach geplanten Angeboten. Sollten die Angebote nicht zu erreichen sein, können Sie vielleicht direkt nach vorhandenen Fahrgemeinschaften oder Transportmöglichkeiten fragen. Vielleicht können Sie sich ja auch mit einer Person zusammentun, die mobil ist und Sie mitnehmen kann.

Sie wissen nicht, wo das nächste Angebot in Ihrer Nähe stattfindet? Schauen Sie gerne in unserer bundesweiten Veranstaltungsdatenbank nach oder rufen Sie uns an! Wir vermitteln Ihnen die richtigen Ansprechpartner! Unser Servicetelefon  ist von Montag bis Freitag von 10-16 Uhr besetzt und berät kostenfrei und niedrigschwellig.

Wenn Sie Zugriff auf das Internat haben, gibt auch einige digitale Angebote, wie Online-Musikunterricht, digitale Konzertbesuche oder Museumsführungen für zuhause, die Sie nutzen können. Dafür müssen Sie nicht mal das Haus verlassen. Wir haben einige Möglichkeiten in diesem Artikel zusammengestellt.

Es muss aber auch nicht immer ein externes Angebot sein, das Ihnen Freude bereitet. Vielleicht starten Sie einfach kulinarische Koch-Abende mit ihrem Freundeskreis und tauschen sich dabei über die Kultur des jeweiligen Landes aus. Oder sie lernen zuhause ein Instrument, dass Sie ihren Enkelkindern vorspielen können. Vielleicht probieren Sie auch gemeinsam mit einem Familienmitglied ein kulturelles Bildungsangebot Ihrer Wahl aus. Wie wäre es z.B. mit einem gemeinsamen Museumsbesuch in einem Museum in der Nähe, in dem Sie noch nie waren?

 

Die Angebote sind zu teuer?

Wir können leider die Preise der Angebote nicht verändern. Was wir jedoch machen können, ist Ihnen Ideen für kostenlose oder kostengünstige kulturelle Bildung zu vermitteln: Es gibt viele Wege, etwas Geld zu sparen. Sie könnten z.B. mit den Anbietern sprechen, ob es einen Rabatt für Senioren und Seniorinnen gibt. Viele kulturelle Einrichtungen haben einen solchen Rabatt. Oder Sie nutzen (falls Sie ihn haben) Ihren Schwerbehindertenausweis. Mit diesem bekommt man in vielen Orten kultureller Bildung kostengünstigeren oder sogar kostenlosen Eintritt. Das hängt aber natürlich auch vom Grad der vorliegenden Behinderung ab.

Häufig lohnt es sich hier nachzufragen und auf die Umstände hinzuweisen, unter denen Sie stehen. Schaffen Sie es, Verständnis für Ihre Situation zu wecken und höflich zu fragen, sind viele Anbieter bereit, Sie finanziell bei der Finanzierung von Kursen im Rahmen Ihrer Möglichkeiten zu unterstützen.

Auch die eben bereits erwähnten Seniorentreffs, Begegnungsstätten etc. bieten häufig kostenlose oder kostengünstige Veranstaltungen oder Kurse an. Fragen lohnt sich hier also. Zusätzlich gibt es auch viele kostenlose digitale Angebote.

 

Zu hohe Anschaffungskosten?

Für einige kulturelle Angebote braucht man eine entsprechende Ausstattung (z.B. Malutensilien oder ein Instrument). Sich diese erstmal zuzulegen, kann ganz schön teuer werden. Daher empfehlen wir Ihnen, vielleicht zunächst im Freundes- und Bekanntenkreis herumzufragen, ob nicht jemand noch ein Leihinstrument oder alte Farbkästen auf dem Dachboden liegen hat. Das ist vielleicht nicht perfekt, aber besonders am Anfang, wenn Sie noch nicht abschätzen können, wie viel Spaß Ihnen Ihr neues Hobby machen wird, ist es eine gute Idee, sich erstmal auszuprobieren.

Sollten Sie auf diesem Wege nicht fündig werden, machen Sie doch mal einen Aushang im ortsansässigen Supermarkt, besuchen Sie einen Flohmarkt oder nutzen Sie die kostenlose Plattform kleinanzeigen.de (Sie müssen sich dafür mit Ihrer Email Adresse registrieren und einen Account anlegen). Darüber finden sich häufig viele Menschen, die ihre alten Hobbygegenstände verkaufen oder sogar verschenken.

Für viele Angebote kultureller Bildung ist auch keine Ausstattung notwendig oder wird vom Veranstalter gestellt. Achten Sie am besten darauf, bei der Wahl Ihrer Aktivität, ob Sie zu Ihrem vorhandenen Budget passt.

 

Zu wenig zeitliche Ressourcen?

Im Ruhestand mag man denken, dass es endlich genug Zeit für all die Dinge gibt, die man schon immer tun wollte. Doch oft stellt man fest, dass der Alltag auch im Ruhestand mit Verpflichtungen und Aufgaben gefüllt ist, sei es durch familiäre Verantwortung, Haushaltsaufgaben oder andere soziale Engagements. Diese Verpflichtungen können dazu führen, dass die Zeit für kulturelle Bildungsaktivitäten begrenzt ist.

Tipp: Priorisieren Sie Ihre Interessen und schaffen Sie bewusst Zeitfenster für kulturelle Aktivitäten.

Reflektieren Sie Ihre persönlichen Interessen und Leidenschaften, die Sie gerne weiterentwickeln oder neu entdecken möchten. Setzen Sie Prioritäten und identifizieren Sie die kulturellen Aktivitäten, die Ihnen besonders am Herzen liegen. Es kann hilfreich sein, eine Liste Ihrer bevorzugten Aktivitäten zu erstellen, um den Fokus zu behalten (Hierfür können Sie gut die Reflexionsfragen aus Punkt 1. nutzen). Verschaffen Sie sich einen Überblick darüber, wie Sie Ihre Zeit aktuell nutzen und schaffen Sie bewusst Zeitfenster in Ihrem Wochenablauf für diese kulturellen Aktivitäten. Blockieren Sie regelmäßige Termine für diese Aktivitäten, ähnlich wie bei anderen Verpflichtungen. Indem Sie diese Zeiträume für sich nehmen und in Ihren Alltag integrieren, wird es Ihnen leichter fallen, sie kontinuierlich zu verfolgen.

Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn Sie mal keine Zeit finden. Sie können das Hobby nach einer stressigen Phase mit wenig Zeit jederzeit wieder aufnehmen. Bedenken Sie aber: die Kontinuität in Ihren kulturellen Bildungsaktivitäten ist von großer Bedeutung, um langfristige Freude und Erfolgserlebnisse zu erzielen. Stellen Sie sicher, dass Sie regelmäßig Zeit für Ihre ausgewählten Aktivitäten einplanen, sei es wöchentlich, alle zwei Wochen oder monatlich, je nachdem, was für Sie realistisch ist.

Eine strukturierte Planung kann helfen, die Motivation aufrechtzuerhalten und einen festen Platz für kulturelle Bildungsangebote in Ihrem Leben zu schaffen. Sehen Sie diese Aktivitäten als wichtigen Teil Ihrer Freizeitgestaltung und nehmen Sie sie ebenso ernst wie andere Verpflichtungen.

 

Aller (Neu-)Anfang ist schwer

Denken Sie immer daran: Was auch immer Sie neu beginnen wollen, es sollte Ihnen Freude bereiten und Sie persönlich weiterbringen! Manchmal ist es aber wichtig, es erstmal zu versuchen und sich auf die neue Erfahrung einzulassen. Vielleicht gefällt Ihnen ja etwas, dass Sie niemals für möglich gehalten hätten. Es ist allerdings genauso in Ordnung, etwas auszuprobieren und festzustellen, dass es nicht zu Ihnen passt. So oder so, wir wünschen wir Ihnen viel Erfolg beim Ausprobieren!

Sicher haben Sie auch weitere Tipps und Ideen, wie sich kulturelle Bildung am besten in den Alltag integrieren lässt. Vielleicht haben Sie Lust, anderen Menschen davon zu berichten? Wir sind gespannt auf Ihre Geschichten! Schreiben Sie uns gerne per Post an BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e.V. in der Noeggerathstr. 49 in 53111 Bonn oder per Mail an info@wissensdurstig.de.

 

Quelle: Freizeitmonitor 2022; Freizeitverhalten nach Alter – Freizeit-Monitor – Stiftung für Zukunftsfragen (freizeitmonitor.de) (Zugriff am 31.07.2023)

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