Politische Bildung im Alter (Teil 4) – Politische Bildung als Lösung?

In den vorherigen Artikeln haben wir festgehalten, dass politische Bildung vor allem in der aktuellen, von Krisen geplagten Zeit ein wichtiges Instrument einer stabilen und zukunftsfähigen Demokratie ist. Darüber hinaus haben wir uns mit der Frage beschäftigt, warum politischer Bildung speziell für ältere Menschen eine so große Bedeutung zukommt und warum das Thema der Digitalisierung darin eine besondere Rolle spielt. Nun wollen wir uns der Frage widmen, was der Begriff „politische Bildung“ eigentlich genau enthält und warum es nicht so einfach ist zu definieren, was alles benötigt wird, um Menschen zu politischer Teilhabe zu ermächtigen.

Die Vielfalt der Maßnahmen: Politische Bildung, Demokratieförderung, Vielfaltsgestaltung, und Extremismusprävention

Die „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung betont die Bedeutung von politischer Bildung (vgl. Schröter 2023, S. 359). Betrachtet man jedoch das Demokratiefördergesetz fällt auf, dass sich die geplanten Maßnahmen nicht nur auf die Umsetzung von politischer Bildung beziehen. Stattdessen ist politische Bildung einer von vier Bereichen, an denen angesetzt werden kann: auch Angebote zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung und Extremismusprävention (vgl. Schröter 2023, S. 359) sind notwendig, um demokratiegefährdende Tendenzen langfristig einzugrenzen. Diese vier Ansätze bedienen zwar unterschiedliche Schwerpunkte, können aber ineinandergreifen:

  1. Die Hauptaufgabe der politischen Bildung als berufliches Tätigkeitsfeld besteht vor allem darin, Menschen für die aktive Mitgestaltung der Demokratie, insbesondere im Hinblick auf die Zukunft, zu sensibilisieren. Darüber hinaus zielt sie darauf ab, die individuelle Mündigkeit, Urteilsfähigkeit und Handlungskompetenz der Einzelnen zu fördern. Sie trägt dazu bei, Menschen zu einer Mündigkeit bei politischen Entscheidungen zu verhelfen und durch Wissensvermittlung das Verständnis für politische Systeme, Institutionen und Prozesse zu fördern (vgl. Schröter 2023, S. 358).
  2. Demokratieförderung hat dagegen das Ziel, die Ideen und Werte der Demokratie in einer Gesellschaft zu stärken. Dies geschieht, indem die Gesetze eingehalten, die Menschenrechte respektiert und unterschiedliche politische Meinungen akzeptiert werden. Außerdem werden Bürger und Bürgerinnen ermutigt, sich zu beteiligen, demokratische Regierungseinrichtungen aufbaut und die Zivilgesellschaft gefördert. Wenn diese Dinge gut funktionieren und die Bürger und Bürgerinnen sich aktiv einbringen können, dann kann das dazu beitragen, Armut zu reduzieren, die Wirtschaft zu verbessern und Konflikte um Ressourcen zu verhindern. Das Hauptziel ist also, ein politisches und gesellschaftliches Umfeld zu schaffen, das stabil und verlässlich ist (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung).
  3. Vielfaltsgestaltung ist notwendig, um Vielfalt und Inklusion in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten zu erhöhen, Diskriminierung und Vorurteile abzubauen, und das Potenzial unterschiedlicher Perspektiven und Erfahrungen zu nutzen. Ziel ist das Verständnis für die Unterschiedlichkeit verschiedener Menschen zu steigern und auch als ‚abweichend‘ wahrgenommene Lebensrealitäten zu respektieren. Es soll gezeigt werden, wie vielfältig unsere Deutsche Gesellschaft ist und dass diese Vielfalt auch ein großer Vorteil sein kann (vgl. BAFzA 2020, S.4)
  4. Extremismusprävention befasst sich schlussendlich mit der Verhinderung von extremistischen Ideologien und Aktivitäten, die die soziale Stabilität und Sicherheit gefährden können. Sie kann dabei sowohl präventive Maßnahmen in der Bildung und der Gesellschaft als auch repressive Maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung und der nationalen Sicherheit umfassen (vgl. BMFSFJ). „So unterschiedlich, wie die Extremismen und die von ihnen betroffenen Personen sind, so vielfältig müssen auch die Präventionsangebote sein. Im Vordergrund steht dabei meist, dass ein Dialog und ein Austausch stattfinden“ (BMFSFJ)

Zusammenwirken der Maßnahmen für eine starke Demokratie

Alle vier Maßnahmen sind ein wichtiger Teil und sollten ineinandergreifen, um eine lebendige und widerstandsfähige Demokratie zu erhalten. Zum Beispiel kann politische Bildung dazu beitragen, das Verständnis für Vielfalt und Demokratie zu fördern, was wiederum die Demokratieförderung und die Extremismusprävention unterstützt.

Die besten Mittel gegen extreme und demokratiefeindliche Einstellungen sind also:

  1. stabile und verlässliche gesellschaftliche Verhältnisse
  2. die Ermöglichung einer aktiven Mitarbeit und Mitbestimmung aller Bürgerinnen und Bürger durch entsprechende Angebote und eine politische Vorbildung
  3. eine erfolgreiche Verständigung zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, um die Vielfalt als etwas Positives wahrzunehmen
  4. und der gezielte Abbau von extremistischen Ansichten durch entsprechende Ausstiegs- und Präventionsangebote

Es ist daher auch für die politische Arbeit mit älteren Menschen entscheidend, diese Ziele verfolgen. Politische Bildung ist dabei eine der vier Möglichkeiten, um eine aktive Beteiligung am demokratischen Prozess und die Förderung von Toleranz und Vielfalt in der Gesellschaft sicherzustellen, indem Menschen informiert und befähigt werden. Die Zielsetzung dieser Formate sollte dabei immer sein, Mitgestaltung und Selbstwirksamkeitserfahrungen auch für diejenigen zu eröffnen, die verunsichert und überfordert sind oder nicht das Gefühl haben, in ihren politischen Interessen gehört zu werden (vgl. Schröter 2023, S. 361). Dafür sind Angebote erforderlich, die auf die Bedürfnisse und Lebenserfahrungen der verschiedenen Zielgruppen zugeschnitten sind.

Wichtig ist dabei auch, dass politische Bildung als Daueraufgabe statt als Intervention in Krisenzeiten betrachtet wird (vgl. Schröter 2023, S. 359). „Sie ist in dieser Form automatisch auch eine Begleiterin in Krisen, sie muss dann nicht erst geschaffen oder konzipiert werden“ (Schröter 2023, S.360). Die fehlenden dauerhaften Investitionen der letzten Jahre schlagen sich hier in den aktuell zunehmenden extremistischen Ansichten nieder (Schröter 2023, S. 84).

 

Politische Arbeit mit Älteren: Ziele und Herausforderungen

Häufig wird aktuell auf politische Bildungsangebote von Volkshochschulen, Parteien, oder von Bundes- oder Landeszentralen für politische Bildung gesetzt. Selten gibt es auch kommunale Beteiligungsformate oder lokale Bildungsprojekte. Viele dieser Angebote sind aber nicht auf die speziellen Bedarfe älterer Menschen ausgerichtet, weil sie z.B. nur als Online-Angebot verfügbar sind und so hohe digitale Kompetenzen voraussetzen, nicht in Wohnortnähe angeboten werden, wenig auf den gesellschaftlichen Austausch und das vielfältige Miteinander setzen oder durch eine hohe fachliche Sprache vor allem sehr interessierte und ältere Menschen ansprechen. Aus diesem Grund werden viele ältere Menschen von ihnen nicht erreicht. Politische Bildung muss aber für alle Menschen zugänglich gemacht werden. Insbesondere für anfällige Gruppen, wie Senioren und Seniorinnen!

Wir halten bis hierher fest: Politische Bildung ist einer von vier Bereichen, mit denen sich unsere Demokratie stärken lässt. Sie ist in jedem Alter relevant und sollte auch für jeden Menschen ohne große Hürden zugänglich sein. Zudem braucht es Angebote speziell für anfällige Zielgruppen. Unsere Demokratie braucht also politische Bildung für Senioren und Seniorinnen! So weit, so klar. Doch wo liegt jetzt das Problem?

 

Lesen Sie dazu mehr in den vorherigen bzw. folgenden Artikeln:

Teil 1: Start in das Schwerpunktthema politische Bildung im Alter

Teil 2: Wieso eine gesunde Demokratie politische Bildung im Alter braucht

Teil 3: Die Digitalisierung als zusätzlicher Risikofaktor für die politische Bildung älterer Menschen

Teil 5: Der Mangel an politischen Bildungsangeboten für ältere Menschen

Teil 6: Verstärkende Faktoren für politische Unzufriedenheit

Teil 7: Was muss sich verändern? Wo setzen wir an?

 

Quellen:

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