Politische Bildung im Alter (Teil 6): Verstärkende Faktoren für politische Unzufriedenheit

Politische Unzufriedenheit ist ein komplexes Phänomen, das in vielen Teilen der Gesellschaft zu beobachten ist. Sie zeigt sich in verschiedenen Formen, von geringer Wahlbeteiligung über allgemeine Politikverdrossenheit bis hin zur Zustimmung zu extremistischen Ansichten. Die Ursachen für diese Unzufriedenheit sind vielfältig und umfassen ökonomische, soziale und emotionale Faktoren. Doch was wirkt sich besonders auf politische Unzufriedenheit, besonders unter älteren Menschen, aus?

 

Welche Faktoren beeinflussen politische Unzufriedenheit?

Die Studien zeigen auch einen signifikanten Zusammenhang zwischen finanziellen Unsicherheiten und der Zustimmung zu extremistischen Aussagen. Auch Menschen mit einem eher niedrigen Bildungsgrad sind im Durchschnitt anfälliger für extremistische Ansichten (vgl. Decker et. al. 2022, S. 55). Personen aus benachteiligten Verhältnissen (Bildung, Einkommen, sozialer Status) neigen vermehrt zu politischer Frustration. Diese äußert sich wiederum in demokratiedistanzierter und populistischer Weise und wendet sich gegen vulnerable Gruppen wie Geflüchtete, arme, wohnungslose oder langzeitarbeitslose Personen. Der subjektiv empfundene sozioökonomische Status wirkt sich also direkt auf das Erleben und Denken der Menschen zur Politik und Gesellschaft aus. Befragte mit weniger Einkommen, niedrigerem Schulabschluss sowie jene, die angeben, eher »unten« in der Gesellschaft zu stehen, äußern häufiger Vorurteile gegenüber als »fremd« markierten Gruppen (vgl. Schröter 2023, S. 325).

Gleichzeitig zeigt sich: in schlecht situierten Quartieren und Stadtteilen ist die Wahlbeteiligung verhältnismäßig gering. Das ist bekannt und wird auch problematisiert, aber oft nicht als Hinweis wahrgenommen, einmal genauer zu erkunden, warum die Menschen sich von der Politik nicht mehr gehört fühlen. Ehrlicherweise muss man feststellen, dass diese „Nicht-Gehörten“ da höchstwahrscheinlich auch nicht ganz falschliegen. Politik ist zwar grundsätzlich dem Gemeinwohl verpflichtet, gleichzeitig sind Parteien Interessenvertretungen ihrer Wähler und Wählerinnenschaft. Damit entsteht ein Teufelskreis, da Menschen, die nicht wählen, auch keine politische Lobby haben.

Im Jahr 2021 lag die Armutsgefährdungsquote für Personen ab 65 Jahren bei 18,3 % und damit über dem Durchschnittswert der deutschen Bevölkerung. Ältere Menschen sind also vermehrt von Armut betroffen (vgl. Statistisches Bundesamt 2022).

Natürlich gibt es nicht immer einen direkten Zusammenhang zwischen einem niedrigen sozioökonomischen Status und politischem Extremismus, aber eine steigende soziale Ungleichheit ist einer der wichtigsten Faktoren für ein Gefühl von „Abgehängt sein“ und damit für politische Unzufriedenheit. Und dazu kommt: inzwischen lässt sich ein ähnliches Verhalten auch bei Menschen aus der Mittelschicht und mit höherem Bildungsgrad beobachten. Das ist vor allem mit der Angst vor einem sozialen Abstieg zu begründen, die viele Menschen (vor allem in der unteren Mittelschicht) quält (vgl. Schröter 2023, S.370 und S. 181). Die explizite Ablehnung extremistischen Gedankengutes nimmt in allen Bevölkerungsgruppen ab (vgl. Schröter 2023, S. 84).

 

Inwieweit wirkt sich Einsamkeit auf die politische Gesinnung aus?

Der Mitte-Studie 2022/23 zufolge spielt bei der Wahrnehmung der gesellschaftlichen Zustände auch Einsamkeit eine Rolle: Je mehr die befragten Personen zu Einsamkeit neigen, desto eher meinen sie, der Zusammenhalt der Deutschen sei gefährdet, empfinden sie die Gesellschaft als zunehmend feindselig und setzen weniger Vertrauen in andere Menschen. Sie neigen zudem signifikant eher zur gesellschaftlichen Orientierungslosigkeit das heißt, sie haben den Eindruck, es sei »heute alles so in Unordnung geraten, dass niemand mehr wisse, wo man stehe« und »früher seien die Leute besser dran gewesen«. Zugleich vertreten sie durchaus eine Anspruchshaltung meinen also häufiger, ihnen stünde mehr zu als anderen und sie verdienten eine bessere Behandlung als andere (vgl. Schröter 2023, S.335ff.).

Einsamkeit verstärkt offenbar einen düsteren und distanzierten Blick auf die Gesellschaft, das gilt aber auch umgekehrt: Ein solcher Blick auf die Welt befördert das Einsamkeitserleben (vgl. Schröter 2023, S. 345). Einsame Menschen nehmen seltener ihr Recht wahr wählen zu gehen, beteiligen sich politisch weniger und neigen eher zur Unterstützung populistischer Kandidaten und Kandidatinnen (vgl. Schröter 2023, S.348). Allerdings: auch wenn Einsamkeit als verstärkender Faktor also eine Rolle spielt, ist es nicht so, dass ältere Menschen häufiger unter Isolation und Einsamkeit leiden, als andere Altersgruppen. Tatsächlich ist die Einsamkeit im Alter sogar geringer als unter jungen Menschen. Dennoch sollte der Faktor Einsamkeit bei der politischen Bildungsarbeit nicht außer Acht gelassen werden.

 

Lesen Sie dazu mehr in den vorherigen bzw. folgenden Artikeln:

Teil 1: Start in das Schwerpunktthema politische Bildung im Alter

Teil 2: Wieso eine gesunde Demokratie politische Bildung im Alter braucht

Teil 3: Die Digitalisierung als zusätzlicher Risikofaktor für die politische Bildung älterer Menschen

Teil 4: Politische Bildung als Lösung?

Teil 5: Der Mangel an politischen Bildungsangeboten für ältere Menschen

Teil 7: Was muss sich verändern? Wo setzen wir an?

 

Quellen:

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