Veröffentlichung D21-Digital-Index 2021/2022: Deutliche Zunahme der Onliner ab 70 Jahre

Heute erscheint der D21 Digital-Index 2021/2022, der schon seit 2001 ein jährliches Lagebild zur Digitalisierung in Deutschland vermittelt. Dieses Jahr hat die BAGSO die Zahlen besonders gespannt erwartet, um zu sehen, ob durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie mehr ältere Menschen die Chancen der Digitalisierung nutzen können oder wollen.

Vorbemerkung: Befragt wurde die „deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren in Privathaushalten“, weshalb bestimmte Bevölkerungsgruppen in den Ergebnissen nicht vertreten sind. Dazu gehören Menschen, die nicht gut deutsch sprechen, also ein Teil älterer Migrantinnen und Migranten, sowie Personen, die in Einrichtungen leben, z.B. im Betreuten Wohnen oder in Pflegeeinrichtungen. Beide Gruppen nutzen das Internet seltener. Die Studienergebnisse zeichnen also ein leicht positiveres Bild zur Internetnutzung und Kompetenzen als es der gesamten älteren Bevölkerung entspricht. Befragungszeitraum war August 2020 bis Juli 2021 und damit ein erstes vollständiges Jahr in der Zeit der Corona-Pandemie.

Nach der ersten Durchsicht finden wir folgende sechs Ergebnisse besonders spannend.

 

1. Deutliche Zunahme der Internetnutzerinnen und -nutzer ab 70 Jahre

Im Vorjahreszeitraum war es bemerkenswert, dass die Zahl der Onliner ab 70 Jahre bei 52 Prozent stagnierte, während sie sonst jährlich um wenige Prozentpunkte zunahm. Nun ist jedoch ein deutlicher Sprung auf 64 Prozent zu verzeichnen. Dies ist ein Zuwachs, der sich nicht allein damit erklären lässt, dass Personen in diese Jahrgänge hinein gewachsen sind. Betrachtet man dazu den Befragungszeitraum, also August 2020 bis Juli 2021, liegt der Schluss nahe, dass sich mit der Corona-Pandemie mehr ältere Menschen als zuvor auf den Weg in die digitale Welt gemacht haben.

© D21-Digital-Index 2021/22

Die Zuwächse in einzelnen Altersgruppen lassen sich nicht exakt mit den Befragungen der Vorjahre vergleichen, da der Index die Alterseinteilung von Altersjahrzehnten auf Generationen umgestellt hat. Der Anteil der Onliner verhält sich in den Generationen nun so:

  • 93% Onliner bei den Babyboomern, geboren 1956-1965, aktuell 56-65 Jahre
  • 81% Onliner bei der Nachkriegsgeneration, geboren 1946-1955, aktuell 66-75 Jahre
  • 52% Onliner in der Generation bis 1945, geboren bis zum Jahr 1945, aktuell 76 Jahre oder älter

Diejenigen Älteren, die das Internet nutzen, nutzen jedoch im Schnitt weniger Anwendungen und weniger Geräte als jüngere Generationen. Auch sind damit immer noch beträchtliche Anteile älterer Menschen offline, besonders in der Generation der bis 1945 Geborenen.

 

2. Mehr Offliner fühlen sich durch Corona ausgegrenzt

Die große Mehrheit der befragten Nicht-Nutzer des Internets fühlt sich nicht abgehängt, aber der Anteil derer, die es so empfinden, hat sich verdoppelt. Die Frage dazu lautete:

Hatten Sie in Zeiten der CoronaKrise mal das Gefühl, von bestimmten digitalen Möglichkeiten wie der Kommunikation mit Ärzten, der Familie, den Behörden oder der Erledigung von Einkäufen abgeschnitten zu sein, weil Sie das Internet nicht nutzen?“

© D21-Digital-Index 2021/22

Nein sagten dazu 85 Prozent der Offliner, ja 14 Prozent. Im Vorjahr lagen die Werte bei 93 Prozent nein und nur 7 Prozent ja. Zu vermuten ist, dass für diese Entwicklung sowohl die Dauer der Pandemie eine Rolle spielt, als auch die gestiegenen Anforderungen, Dinge des alltäglichen „Pandemie-Lebens“ fast ausschließlich digital erledigen zu können, z. B. Impftermine oder Tickets für Freizeitaktivitäten online buchen.

 

3. Offliner sind nach wie vor überwiegend Frauen, Personen mit niedriger Bildung und niedrigem Einkommen

„Gut die Hälfte der OfflinerInnen in Deutschland stammt aus der Generation bis 1945 und ist damit 76 Jahre oder älter. Das Durchschnittsalter steigt noch einmal im Vergleich zu 2020 um zwei Jahre an und liegt nun bei 71 Jahren. Zudem sind sieben von zehn Personen, die keinen Zugang zum Internet haben, weiblich, beinahe 80 Prozent haben eine formal niedrige Bildung. Damit einhergehend, aber auch aufgrund des häufigen Rentenstatus, haben mehr als 50 Prozent ein geringes monatliches Haushaltsnettoeinkommen von bis zu 2.000 Euro zur Verfügung. Damit verdichtet sich die Konzentration an OfflinerInnen in den genannten Gruppen weiter.“ (S. 20)

Eine Spaltung zeigt sich auch nach den Bundesländern, mit niedrigeren Nutzungsraten in den neuen Bundesländern. Dies macht erneut deutlich, wie groß der Bedarf ist, kostenfreie, niedrigschwellige Lerngelegenheiten überall in Deutschland zu schaffen.

© D21-Digital-Index 2021/22


4. Die Gründe für die NichtNutzung des Internets sowie Motivatoren der Nutzung bleiben die gleichen

Wie schon häufig belegt, liegen die Gründe der Nicht-Nutzung des Internets in der fehlenden Nutzenwahrnehmung, der wahrgenommenen Komplexität der Geräte und Bedienung sowie in Sicherheits- und Datenschutzbedenken. Deshalb sagen dann beträchtliche Anteile der Offliner, dass sie kein Interesse am Internet haben und ihnen „klassische Medien“ ausreichen. Häufig springen auch Familie und Freunde ein, um Erledigungen im Internet zu übernehmen. Finanzielle Hürden werden genannt, aber nachrangig. Im Einzelnen:

  • 71%   Habe generell kein Interesse am Internet / an diesem Medium.
  • 43%   Ist mir zu kompliziert.
  • 38%   „Klassische“ Medien (Print, Hörfunk, Fernsehen) sind ausreichend.
  • 36%   Sehe für mich keinen Nutzen / Vorteil darin.
  • 33%   Meine Kinder / Freunde / Bekannte sind im Internet und erledigen das für mich mit, was ich brauche.
  • 24%   Habe Sicherheitsbedenken und Datenschutzbedenken.
  • 8%     Ich kann es mir nicht leisten.
  • 5%     Wir haben hier keine Möglichkeit ins Internet zu kommen. (aber Achtung: Personen in Einrichtungen wurden nicht befragt.)

Im Umkehrschluss zeigt die Studie ebenfalls erneut, dass Offliner dann das Internet nutzen würden, wenn…

  • 48% … ich einen klaren Nutzen für mich erkennen würde.
  • 19% … die Nutzung einfacher wäre.
  • 15% … mir jemand zeigen würde, wie es funktioniert.
  • 8%  … ich wüsste, wie ich meine persönlichen Daten (besser) schützen kann.
  • 8%  … es kostengünstiger wäre.

Dies unterstreicht erneut die Forderungen der BAGSO nach öffentlichkeitswirksamen Kampagnen zum Nutzen von Technik und Internet in „klassischen Medien“, nach partizipativer Technikentwicklung mit älteren Menschen, nach besserem Verbraucherschutz im Netz und nicht zuletzt flächendeckenden, kostenfreien Unterstützungsstrukturen zum Kompetenzerwerb in jeder Kommune, die auch die Themen „Sicherheit im Netz“ vermitteln können.

 

5. „Online“ ist nicht gleich „digital souverän“: Ältere Onliner schätzen ihre eigenen Kompetenzen geringer ein als Jüngere

Im Folgenden ein Auszug einiger Einschätzungen der älteren Internet-Nutzerinnen und -nutzer zu ihren digitalen Kompetenzen. Der Prozentwert gibt an, wie viele Personen der jeweiligen Altersgruppe der Aussage mit „trifft sehr zu“ oder „trifft eher zu“ zugestimmt haben.

 
Kompetenz (Ich kann/ Ich habe…) 56-65
66-75
76+
Internetrecherchen durchführen. 79 70 30
Fotos oder Videos mit Smartphone machen und versenden. 76 63 27
einfache Texte erstellen. 64 61 29
unterschiedliche Passwörter für unterschiedliche Dienste. 60 52 26
Grundlegende Funktionen beim Smartphone anpassen. 59 50 22
Datenschutzeinstellungen verwalten. 54 38 15
unseriöse Nachrichten erkennen. 48 43 18
Wissen über digitale Möglichkeiten, um das Leben zu vereinfachen. 47 40 13
Unterstützung bei technischen Problemen finden. 45 35 17
urheberrechtlich geschützte Inhalte erkennen. 39 32 8
verdächtige EMails oder PopUps erkennen. 39 36 13
Anderen die bedarfsspezifische Nutzung von digitalen Werkzeugen erklären.
36 33 8
Videokonferenzen einrichten. 28 22 5

 

Die Mehrheit der Babyboomer (56-65 Jahre) und der Nachkriegsgeneration (66-75 Jahre) fühlt sich sicher dabei, Recherchen im Internet durchzuführen, Fotos oder Videos mit dem Smartphone zu machen und zu versenden sowie einfache Texte zu erstellen. Selbstkritisch geben die Befragten auch an, dass sie Schwierigkeiten haben, unseriöse Nachrichten, verdächtige E-Mails oder Pop-Ups zu erkennen. Die Fähigkeit eine Videokonferenz einzurichten ist sicher generell in der Pandemie gestiegen, aber eine der geringsten. Die Mehrheit weiß nicht, wo sie Unterstützung bei technischen Problemen finden kann. Dies erschwert auch den zukünftigen souveränen Umgang mit digitalen Geräten und Anwendungen.

Immerhin gibt ein gutes Drittel der zwei jüngeren Generationen an, dass sie in der Lage sind, anderen die Nutzung digitaler Werkzeuge zu erklären. Viele von ihnen engagieren sich mitunter seit vielen Jahren vor Ort als Internethelferinnen und -helfer – auch in den BAGSO-Projekten „Digital-Kompass„, „DigitalPakt Alter“ und „Digital souverän mit Künstlicher Intelligenz„.

 

6. Die Aneignung digitaler Kompetenzen erfolgt am liebsten informell

Diese Aussage trifft auf alle Bevölkerungsgruppen zu. 82 Prozent geben an, dass sie sich benötigtes Wissen am ehesten informell aneignen statt in formalen Lernumgebungen. Betrachtet man gesondert eine Gruppe der im Index „Minimal-Onliner“ genannten, wird deutlich, dass diese sich zu 54 Prozent gar nicht fortbilden, 29 Prozent Hilfe und Tipps von der Familie, Freunden, Bekannten oder Kollegen erhalten und 19 Prozent sich die Nutzung selbst beibringen. Organisierte Bildungsangebote nehmen derzeit nur 7 Prozent von ihnen wahr. Zu den Gründen sagt der Index nichts aus. Es liegt – aufgrund der Erfahrungen der BAGSO – jedoch nahe zu vermuten, dass entsprechende Angebote flächendeckend nicht vorhanden sind, nicht bekannt sind und bestehende Angebote häufig nicht den Bedürfnissen älterer Lernender entsprechen.

Tipps zum Aufbau erfolgreicher Technikbegleitungs-Initiativen für ältere Menschen finden Sie zum Beispiel hier und hier.

Sie machen deutlich, dass digitale Bildung im Alter vor allem dann gelingt, wenn von den persönlichen Anliegen der Älteren ausgegangen wird, die Anwendung sehr praktisch gezeigt wird, mit Geduld und Ruhe und in einem sicheren Rahmen. Flexible Zeiten, vielfältige Formate und Möglichkeiten für Kennenlernen und Austausch erhöhen ebenfalls die Attraktivität solcher Angebote. Vorhandene Internet-Initiativen in der eigenen Umgebung kann man beim Digital-Kompass oder beim DigitalPakt Alter finden (zur Karte scrollen). Gerne gibt die Servicestelle „Digitalisierung und Bildung für ältere Menschen“ auch am Telefon Kontakte zu 500 Gruppen bundesweit weiter (Telefon: 0228/24 99 93-50).

 


Über die Studie „D21-Digital-Index 2021/2022“: Der D21-Digital-Index 2021/2022 ist eine repräsentative Studie der Initiative D21, durchgeführt von Kantar. Sie erfasst die deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren (Strukturbefragung n=18.243 / Vertiefungsbefragung n=2.024) und erfolgt per face-to-face-Interview (CAPI). Die Studie ist gemeinsam finanziert durch eine Partnerschaft aus öffentlichen und privatwirtschaftlichen Organisationen.

Zur Studie „D21-Digital-Index 2021/2022“

Erläuterungen und Ergänzungen zur Studie: Unterschiede in den digitalen Kompetenzen zwischen den Generationen“

Erläuterungen und Ergänzungen zur Studie: OfflinerInnen und MinimalOnlinerInnen“

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